Der Dürresommer 2003 - normal oder nicht ?

(Verfasser: Dipl.-Phys. G. Müller, Dipl.-Met. B. Mühr, Prof. Dr. Ch. Kottmeier)

Das langanhaltende trockene und heiße Wetter führt in diesem Jahr in Deutschland und in Mitteleuropa zu großen Ernteausfällen in der Landwirtschaft. In Südeuropa gefährdet die lange Trockenheit teilweise sogar die Trinkwasserversorgung. Es kommt vermehrt zu Waldbränden wie in Südfrankreich. Sogar die Gefahr durch nachfolgende Hochwässer bei kräftigen Gewittergüssen nimmt zu, da der trockene Boden seine Fähigkeit verliert, Wasser zu speichern.
Im folgenden gehen wir naheliegenden Fragen zur derzeitigen Dürre nach:

  • Wie selten oder gar einmalig ist das Wettergeschehen?
  • Gibt es einen Zusammenhang mit Klimaänderungen?
  • Was geschieht im Jahr 2003 in der Atmosphäre?

 

Historische Einordnung der Dürre dieses Jahres

Vielfach fragen sich die Menschen, ob das derzeitige trocken-heiße Wetter noch normal sei oder ob die momentane Witterung schon im Zusammenhang mit einer eventuellen Klimaveränderung stehe.

Tatsache ist, dass es auch schon in der Vergangenheit extreme Trockenjahre gegeben hat mit zum Teil noch geringeren Regenmengen und ähnlich hohen Temperaturen. Als Beispiele seien der "Jahrhundertsommer" 1947, das Dürrejahr 1976 und auch die trockenen Jahre 1911 und 1959 genannt. Auch in diesen Jahren folgten auf trockene Frühjahre heiße und trockene Sommer mit teils verheerenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die verursachende Wetterlage war eine ähnliche:

 

Typische Wetterlage im Juli 1976 (18.7.): Luftdruckverteilung am Boden (Linien) und Temperaturen (Farben)

Typische Wetterlage im Juli 1959 (18.7.): Luftdruckverteilung am Boden (Linien) und Temperaturen (Farben)

Damals blockierten ebenfalls kräftige Hochdruckgebiete die Westströmung und verhinderten ausgedehnte Regenfälle, die mit den wandernden Tiefdruckgebieten verbunden sind.
Derartige Dürresommer sind in Mitteleuropa zwar selten, da wir uns in der gemäßigten Klimazone mit regelmäßigen Niederschlägen befinden, aber dennoch kommen sie alle paar Jahrzehnte vor.

 

Die Dürre im Jahr 2003 und Klimaänderungen

An der Witterung der vergangenen Monate und Jahre ist nicht nur die Trockenheit auffallend, sondern auch die markante Häufung vergleichsweise zu warmer Witterungsabschnitte. So fielen von den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur der Januar und Februar etwas zu kalt aus. Alle anderen Monate waren teils deutlich wärmer als im langjährigen Mittel. So war der Juni teilweise um bis zu 7 Grad wärmer als normal und überbot die bisherigen Rekordmarken um bis zu 3 K Grad. Das ist sehr ungewöhnlich und nur teilweise damit zu erklären, dass die Hitzeperiode genau in die 4 Wochen des Juni "hineinpasste". Nach kurzer Unterbrechung wurde es im Juli genauso warm oder teilweise sogar wärmer. Meteorologische Ursache ist die langandauernde Druckverteilung in Höhen von 5-8 km, wo ein sogenannter Höhentrog seit vielen Wochen kaum seine Lage ändert. Die Tiefdruckgebiete werden durch diese Höhenströmung in ihrer Bahn gesteuert oder gar an der Entstehung gehindert. Da der Höhentrog westlich von uns über dem Atlantik liegt, wird dauernd heisse und trockene subtropische Luft nach Europa gelenkt.

Die Ursachen der derzeitigen Trockenheit in Europa - mit gleichzeitig zu kalter und feuchter Witterung in anderen Gebieten der mittleren Breiten - können nur dann durch eine Klimaänderung erklärt werden, wenn diese die wellenförmige Struktur der Strömung in 5 km Höhe durchgreifend ändert. Ein solcher Zusammenhang muss aber erst noch nachgewiesen werden

Anders ist es mit der beobachteten mittleren Erwärmung an der Erdoberfläche, die gobal in den letzten 100 Jahren ca. 0.6 K beträgt. Hierfür wird überwiegend die Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre verantwortlich gemacht. Die dazu durchgeführten Modellrechnungen sprechen keine ganz einheitliche Sprache, weisen aber in der Mehrzahl auf eine Intensivierung des Wasserkreislaufs von Verdunstung, Niederschlag und Abflüssen. Einerseits könnten die durch erhöhte Temperaturen und vermehrten Hochdruckeinfluss größeren Verdunstungsraten über dem Festland eine Häufung von sommerlichen Trockenperioden nach sich ziehen. Andererseits ist ebenso möglich, dass gleichzeitig durch stärkere Verdunstung von Meerwasser verstärkt angeregte Tiefdrucktätigkeit zu partiell höheren Niederschlägen führen wird.

Dass es wärmer wird, ist sicher. Wie sich diese Erwärmung im globalen und regionalen Maßstab auswirken wird, ist noch weitgehend unklar. Die derzeitige Trockenheit ist daher nur ein Mosaikstein, der für sich allein betrachtet wenig aussagt. In der Zusammenschau mit der markanten Erwärmung weltweit und anderen Indizien (Gletscherabbau in den Alpen, abnehmende Ausdehnung des arktischen Meereises) wird ein Trend sichtbar, der sich immer deutlicher abzeichnet.

 

Klimawerte 2003 für Karlsruhe
Monat Temp. Diffe-
renz
Nieder-
schlag
Prozent
vom
Mittelwert
Sonnen-
schein-
stunden
Prozent
vom
Mittelwert
- °C K mm % h %
Januar 1.0 -0.2 102 179 57 121
Februar 0.8 -1.7 13 24 156 203
März 8.9 2.9 24 45 218 179
April 11.1 1.2 28 46 224 139
Mai 16.2 1.9 68 86 208 99
Juni 23.0 5.5 61 71 303 138
Klimawerte 2003 für Potsdam
Monat Temp. Diffe-
renz
Nieder-
schlag
Prozent
vom
Mittelwert
Sonnen-
schein-
tunden
Prozent
vom
Mittelwert
- °C K mm % h %
Januar -0.4 0.5 69 157 41 87
Februar -2.1 -2.3 7 19 119 161
März 3.7 0.3 17 77 173 134
April 9.1 1.1 19 43 223 133
Mai 15.3 2.1 35 57 236 104
Juni 19.4 2.8 43 62 293 127

 

Der bisherige Sommerverlauf

Nach einem außergewöhnlich feuchten und recht kalten, schneereichen Januar stellte sich die Wetterlage im Februar grundlegend um. Umfangreiche und stabile Hochdruckgebiete über dem europäischen Festland und Skandinavien verhinderten das Vordringen regenbringender atlantischer Tiefdruckgebiete auf unser Gebiet. Dies sorgte für ein sehr sonnenscheinreiches und zunächst recht kühles Frühjahr. Strenge Spätfröste Anfang April führten zu empfindlichen Schäden in der Landwirtschaft. Im Laufe des April sorgte die höhersteigende Sonne für ein Ansteigen der Temperaturen auf Normalniveau und darüber hinaus. Regen fiel weiterhin nur selten und wenn dann lokal eng begrenzt in Form von Schauern und Gewittern.
Im Mai unterbrachen zwei typische "Eisheiligen"-Wetterlagen die trockene Witterung und sorgten für lokal recht ergiebige Regenfälle. Insbesondere der Nordosten und Südwesten gingen aber vielfach leer aus. In der dritten Monatsdekade regenerierte sich der Hochdruckeinfluss wieder und für den ganzen Monat Juni stellte sich eine für diese Jahreszeit sehr ungewöhnliche stabile Hochdruckwetterlage ein. Die normalerweise üblichen Kälterückfälle ("Schafskälte") blieben vollständig aus. Niederschläge fielen nur in Form von isolierten, teils heftigen Gewittern, die aber das Niederschlagsdefizit der vorangegangenen Monate nicht aufholen konnten. Im Gegenteil wurde es in vielen Gebieten durch die bei den hohen Temperaturen sehr hohe Verdunstung noch trockener. Im Folgenden drei Wetterkarten mit der in der ersten Jahreshälfte 2003 typischen Druckverteilung:

 

Typische Wetterlage im Februar 2003 (19.2.): Luftdruckverteilung am Boden (Linien) und Temperaturen (Farben)

Typisches Satellitenbild im Februar 2003 (18.2.): kaum Wolken über dem europäischen Festland

Typische Wetterlage im April 2003 (17.4.): Luftdruckverteilung am Boden (Linien) und Temperaturen (Farben)

Typische Wetterlage im Juni 2003  (27.6.): Luftdruckverteilung am Boden (Linien) und Temperaturen (Farben)

Auf allen drei Karten ist hoher Druck über Mittel- und Nordeuropa dafür verantwortlich, dass regenbringende atlantische Tiefausläufer nicht auf das mitteleuropäische Festland übergreifen können. Während es im Februar dabei noch zu kalt war, fielen die Folgemonate allesamt zu warm und zu trocken aus. Normalerweise erhält das mitteleuropäische Flachland den meisten Niederschlag in den Frühjahr- und Sommermonaten, d.h. während der Hauptwachstumszeit der Pflanzen. In diesem Jahr ist genau das Gegenteil der Fall und verbreitet fielen bis Mitte Juli erst 30 - 50% des im langjährigen Mittel üblichen Niederschlags. Insbesondere in den von Natur aus schon trockenen Gebieten wie etwa Brandenburg machte sich dies negativ bemerkbar. Ernteausfälle durch Notreifung des Getreides und Trockenstress der Pflanzen sind die aktuellen Folgen.