Der Rekordsommer 2003

Artikel vom 24. September 2003
Dipl.-Phys. G. Müller, Dipl.-Met. B. Mühr, Prof. Dr. Ch. Kottmeier

Der Rekordsommer 2003
Der Sommer 2003 - Zahlen und Fakten

Einleitung
Nach Sichtung aller jetzt vorliegenden meteorologischen Daten steht fest: der Sommer 2003 war der wärmste Sommer der letzten 500 Jahre in Europa. Im folgenden sind interessante Fakten zu den meteorologischen Vorgängen des Sommers 2003 zusammengestellt.

Wetterlage
Der Sommer 2003 zeichnete sich durch eine ungewöhnliche Dominanz und Andauer von Hochdrucklagen aus. Wie schon im Dürreartikel beschrieben, lagen West- und Mitteleuropa in der ersten Sommerhälfte wiederholt unter dem Einfluss stabiler Hochdruckgebiete, die durch ihre Lage mit Zentrum über Mittel- und Nordeuropa die Zufuhr sehr warmer Luftmassen begünstigten. Anfang Juli wurde diese Serie kurz durch atlantische Tiefausläufer mit etwas kühlerer Meeresluft unterbrochen. Obwohl die vielzitierte und mit Eintreffwahrscheinlichkeiten von 70% auch recht treffsichere Siebenschläferregel ("So wie sich in den ersten Julitagen die Großwetterlage einstellt, bleibt sie bis Mitte August erhalten") einen eher kühlen Hochsommerverlauf nahelegte, stellte sich in der zweiten Julihälfte erneut Hochdruckwetter mit hohen Temperaturen und nur gelegentlichen Niederschlägen ein.
Besonders markant verlief dann die erste Augusthälfte als sich über Westeuropa ein kräftiger Langwellenkeil aufwölbte, der sich durch das herrschende nordhemisphärische Wellenmuster mit 4 langen Wellen als sehr stabil erwies:



Nordhemisphärenkarte der 500hPa-Fläche
und des Bodendrucks, 10.08.2003
Quelle: Wetterzentrale

Tagelang lag ganz Frankreich sowie der Westen und Südwesten Deutschlands unter dem Einflussbereich extrem warmer Luftmassen mit Temperaturen über 20 Grad in 850 hPa und über -10 Grad in 500 hPa, was 2m-Temperaturen bis über 40 °C zur Folge hatte. Durch den über Westeuropa weit nach Norden vorgeschobenen subtropischen Hochdruckgürtel konnte vor allem Südwestdeutschland für zwei Wochen das Klima von Nordafrika oder Südspanien erleben. Die verschiedentlich in den Medien geäußerte Aussage, der äquator habe sich "um 20 Grad nach Norden verschoben" ist natürlich falsch. Vielmehr kamen im Bereich der Hochdruckgebiete die entsprechenden Luftmassen wesentlich weiter und vor allem dauerhafter als üblich nach Norden voran.

Temperatur
Die Bilanz der Sommermonate Juni, Juli und August fällt in nahezu ganz Europa positiv aus. Zu kalte Gebiete mit relativ geringen negativen Abweichungen von der Norm erstrecken sich vom Weißen Meer bis zum Kaspischen Meer und von dort weiter nach Osten in die zentralasiatischen Steppengebiete hinein. Temperaturabweichungen von mehr als 2 K traten in der gesamten Südwesthälfte des Kontinents auf.



Temperaturabweichungen in K im Sommer 2003 vom Mittel 1960-90

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Juni 2003
Juli 2003
August 2003
Quelle: Nasa Goddard Institute for Space Studies

Juni:
Deutlich zu kalt präsentierte sich der Nordosten und Osten Europas, wo die Monatstemperaturen verbreitet 2 bis 4 K unter ihrem langjährigen Vergleichswert blieben. Der größte Wärmeüberschuss trat im Juni 2003 in der Südhälfte Frankreichs auf, sowie in der Schweiz, Norditalien und in Süddeutschland. Großflächig überschritten die Abweichungen den Wert von 4 K, in der Schweiz und in Süddeutschland lagen die Abweichungen zum Teil über 7 K. In diesen Gebieten wurden vielfachen neue Höchstwerte der Monatsmitteltemperaturen für den Juni ermittelt, macherorts war es sogar der wärmste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen überhaupt. Eigentlich weist der Juni in Mitteleuropa von allen Monaten die geringsten Schwankungen von Jahr zu Jahr auf, dazu tragen vor allem die häufigen und regelmäßigen Kälterückfälle (Schafskälte) bei. Umso bemerkenswerter erscheinen die diesjährigen Werte. In Deutschland lagen die Abweichungen zwischen 1.8 K in Schleswig-Holstein und 7.1 K auf dem Feldberg/Schwarzwald. Die höchste Monatsmitteltemperatur wurde in Freiburg erreicht (24.2°C), der höchste Tageswert mit 37.2°C in Karlsruhe.

Juli:
Auch der Juli 2003 brachte übernormale Temperaturen. Wenngleich die Abweichungen der Monatsmittelwerte nicht mehr die hohen Werte wie im Vormonat aufwiesen, dehnte sich der zu warme Bereich weiter aus und umfasste nahezu ganz Europa. Ein deutlicher Wärmeüberschuß trat nun auch in ganz Skandinavien bis hin nach Spitzbergen auf und auch dort, wo im Juni noch deutlich negative Abweichungen beobachtet wurden, wechselte das Vorzeichen. Lediglich am Kaspischen Meer blieb es etwas zu kühl. Der Monat weist für ganz Deutschland eine gleichmäßige Temperaturabweichung von 1.5 bis 3 K auf. Den höchsten Monatsmittelwert verbuchte wieder Freiburg mit 22.6°C, auch der Spitzenwert mit 37.9°C ging wieder nach Karlsruhe.

August:
Ein Monat der Rekorde. Ganz Europa war zu warm. Die zu kalten Gebiete haben sich nach Asien zurückgezogen. Die höchsten Abweichungen traten wieder in den Gebieten auf, die schon im Juni auffällig wurden, nämlich Südfrankreich, Norditalien, Schweiz und Süddeutschland. Ein zweites Maximum hat sich im Bereich des nördlichen Urals etabliert, wo die Abweichungen der Mitteltemperatur ebenso großflächig 4 K überschritten. Vielerorts wurden neue Rekorde der Monatsmittel- und Höchsttemperatur gemessen und die im Juni aufgestellten bereits wieder gebrochen. In Süddeutschland lagen die Temperaturen gebietsweise über 6 K über ihrem Vergleichswert. Wie im Juni trat die größte Abweichung des Monatsmittelwertes mit 6.6 K auf dem Feldberg/Schwarzwald auf. Freiburg erreichte eine Mitteltemperatur von 25.5°C! Hier und in Karlsruhe stieg das Thermometer auf 40.2°C!

Temperaturbilanz des Sommers 2003:
In Deutschland nahm der Wärmeüberschuss von Nordost nach Südwest zu. Norddeutschland hat in der Vergangenheit schon vergleichbar heiße Sommer erlebt, zuletzt 1992. Je nach Länge der Messreihe lassen sich noch heißere Sommer finden, in Berlin beispielsweise die Sommer der Jahre 1834 oder 1868. In Süddeutschland hingegen findet sich zumindest in den letzten 200 Jahren kein vergleichbarer Sommer. Nahezu alle Rekorde wurden gebrochen. In diesem Jahr haben sich die Täler von Rhein (Oberrhein) und Mosel als die heißesten Gegenden präsentiert.


Klimawerte 2003 für Karlsruhe
Monat Temp. Diffe-
renz
Nieder-
schlag
Prozent
vom
Mittel
Sonnen-
schein-
stunden
Prozent
vom
Mittel
Sommer-
tage
heiße
Tage
- °C K mm % h % - -
Januar 1.0 -0.2 102 179 57 121 0 0
Februar 0.8 -1.7 13 24 156 203 0 0
März 8.9 2.9 24 45 218 179 0 0
April 11.1 1.2 28 46 224 139 3 0
Mai 16.2 1.9 68 86 208 99 10 1
Juni 23.0 5.5 61 71 303 138 27 17
Juli 21.7 2.1 64 91 282 116 25 8
August 24.3 5.5 24 36 327 148 29 23

 

Klimawerte 2003 für Potsdam
Monat Temp. Diffe-
renz
Nieder-
schlag
Prozent
vom
Mittel
Sonnen-
schein-
stunden
Prozent
vom
Mittel
Sommer-
tage
heiße
Tage
- °C K mm % h % - -
Januar -0.4 0.5 69 157 41 87 0 0
Februar -2.1 -2.3 7 19 119 161 0 0
März 3.7 0.3 17 77 173 134 0 0
April 9.1 1.1 19 43 223 133 0 0
Mai 15.3 2.1 35 57 236 104 7 1
Juni 19.4 2.8 43 62 293 127 15 5
Juli 20.2 2.3 50 96 237 102 19 6
August 20.7 3.2 25 42 287 131 20 12

 

Die Mitteltemperatur dieses Sommers betrug in Potsdam 20.1°C (Abweichung 2.8 K), in Karlsruhe 23.0°C (Abweichung 4.4K). Wie nicht anders zu erwarten, hat Freiburg die höchste Sommermitteltemperatur zu bieten, nämlich 24.1°C (Abweichung 5.2 K).


Tagesmitteltemperaturen 2003
und Mittelwert 1876-2000
in Karlsruhe

Abweichungen der Tagesmittel-
temperaturen 2003 vom Mittelwert
1876-2000 in Karlsruhe

Tagesmaximum und -minimum
2003 in Karlsruhe
Quelle: Inst. f. Meteorologie u. Klimaforschung, Univ. Karlsruhe

 

In Karlsruhe lagen die Tagesmitteltemperaturen an fast jedem Tag des Sommers über dem Mittelwert der 125 jährigen Reihe von 1876-2000. Einzig die ersten 5 Tage im Juli und die letzten beiden Augusttage fielen etwas zu kühl aus. Der größte Wärmeüberschuss trat in der ersten Augusthälfte auf, und am 13. konnte ein neuer Höchstwert der Tagesmitteltemperatur in Karlsruhe mit 30.6°C registriert werden. Der bisherige Höchstwert mit 30.5°C datiert aus dem Jahr 1952.

Der mittlere Tageshöchstwert der Temperatur betrug im August in Karlsruhe beeindruckende 32.6°C.

Vom 3. bis zum 14. August erreichte die Höchsttemperatur an 12 aufeinanderfolgenden Tagen in Karlsruhe einen Wert von mehr als 35°C. In ununterbrochener Folge stieg das Thermometer an allen Tagen vom 7. Juli bis zum 29. August auf mindestens 25°C, das sind 54 Sommertage. Bis zum 24. September 2003 beläuft sich die Zahl der Sommertage 2003 in Karlsruhe bislang auf 105, 7 mehr als im bisherigen Rekordjahr 1947 (98). Einen neuen Rekord gab es auch bei der Zahl der heißen Tage, wo 2003 in Karlsruhe der bisherige Höchstwert von 44 aus dem Jahre 1947 mit 53 deutlich überboten wurde.

Der Deutschlandrekord der Temperatur von 40.2°C (aufgestellt am 27.7.1983 in Gärmersdorf, Oberpfalz, Bayern) wurde am 9. August in Karlsruhe und am 13. August nochmals in Karlsruhe und in Freiburg eingestellt. An einer privat betriebenen Wetterstation in Perl-Nennig im saarländischen Moseltal konnte am 8. August ein Wert von 40.3° gemessen werden. Automatische oder nebenamtliche Stationen des DWD könnten geringfügig höhere Einzelwerte gemessen haben, allerdings ist die Überprüfung aller Werte noch nicht abgeschlossen.

Auch auf vielen Bergstationen stieg das Thermometer auf neue Höchstwerte, z.B. auf dem Kahlen Asten, 831 m (31.3°C am 12.8.) oder auf dem Brocken im Harz, 1142 Meter (28.2°C am 12.8.).

27.6°C als Tiefsttemperatur(!) stellt den bisher höchsten gemessenen Wert in Deutschland dar, erreicht in der Nacht zum 13. August auf dem Weinbiet in 553 Meter Höhe im Pfälzer Wald.

Ein Monatsmittelwert von 25.5°C, wie ihn Freiburg im August aufzuweisen hatte, stellt einen Wert dar, wie ihn nicht einmal Algier in Nordafrika im Mittel zu bieten hat (24.9°C).

Neue Höchstwerte der Temperatur gab es auch im europäischen Ausland: Am 11.8. in der Schweiz mit 41.5°C in Grono, Kanton Graubünden, der alte Höchstwert aus dem Jahre 1952 mit 39.0°C in Basel wurde weit überboten. Ebenso in Großbritannien: London-Heathrow meldete am 10. August 37.9°, in der Grafschaft Kent (Gravesend-Broadness) wurden sogar 38.1°C erreicht.

Sonnenschein, Niederschlag
Die ungewöhnlich sonnenscheinreiche und niederschlagsarme Witterung des Frühlings setzte sich im Sommer verstärkt fort. Das Flächenmittel des Niederschlags erreichte im Juni in Deutschland 51 mm (62%) des langjährigen Wertes (82 mm). Besonders trocken blieb es im Norden von Baden-Württemberg (Mannheim 12 mm, Öhringen 15 mm). Etwas besser fiel die Bilanz im Juli aus: Für Deutschland bedeuten 67 mm immerhin 88% des Mittelwertes. Ein deutschlandweites Flächenmittel von lediglich 33 mm (42%) im August stellt den Höhepunkt der diesjährigen extremen Trockenperiode dar. Mancherorts blieb es bei extrem hohen Verdunstungsraten praktisch niederschlagsfrei (Cottbus 9 mm, Görlitz 3 mm). Bei der großen Hitze entwickelten sich zwar zahlreiche Hitzegewitter, die örtlich unwetterartig ausfielen, das Niederschlagsdefizit konnten aber auch sie nicht beseitigen.



Satellitenbild, 8.8.2003, 12:09 UTC, NOAA 16, VIS
Quelle: Inst. f. Meteorologie, FU Berlin

Satellitenbild, 8.8.2003, 18:00 UTC, MET 7, IR
Quelle: Fak. f. Ingenieurwissenschaften, Univ. Ulm

Die Satellitenbilder erinnern mehr an semiaride Gebiete wie z.B. im amerikanischen Südwesten als an Mitteleuropa: Temperaturen um 40 Grad C ließen etliche Hitzegewitter entstehen. Zwischen den Einzelzellen, die sich im Tagesverlauf bevorzugt über den Mittelgebirgen ausbildeten, war der Himmel weitgehend wolkenlos. Mit abnehmender Sonneneinstrahlung fielen die Gewitter rasch in sich zusammen und lösten sich auf. Entsprechend konnte vor allem im August die Sonnenscheindauer an den meisten Tagen nahezu die astronomisch möglichen Werte erreichen. In Karlsruhe beispielsweise bedeuten die 327 Stunden einen neuen Rekord. Zusammen mit den bereits sehr sonnigen Vormonaten wurde mit Ablauf des Monats August in Karlsruhe das Jahressoll von 1691 Stunden bereits übererfüllt (1775 Stunden).

Folgen, Auswirkungen der Hitze und Trockenheit
Besonders die Landwirtschaft hatte unter den Folgen der Dürre und der Hitze zu leiden. Es gab große Ernteeinbußen oder mindere Qualität. Künstliche Bewässerung konnte nur örtlich Abhilfe schaffen.
Fehlende Niederschläge sowie große Verdunstungsraten ließen die Pegel der Flüsse dramatisch absinken. Mitte August lag der Pegel der Elbe in Dresden bei 71 cm und das nur ein Jahr nach der Jahrhundertflut mit einem Pegel von 940 cm. Auch der Rhein führte Niedrigwasser, so dass die Binnenschiffe nicht vollbeladen oder gar nicht fahren konnten. Der Bodensee erreichte seinen tiefsten Sommer-Pegelstand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1817.
Einige Kraftwerke (z.B. an der Isar) mussten ihren Betrieb einschränken oder ganz einstellen, um den bei der geringen Wasserführung ohnehin aufgeheizten Flüssen nicht noch zusätzlich Wärme zuzuführen. Dennoch kam es mancherorts zu Fischsterben.
Durch die Hitze traten Fahrbahnschäden und verbogene Bahngleise auf.
In West- und Südeuropa (vor allem in Portugal, Spanien und Frankreich) wütetenden wochenlang verheerende Waldbrände, mehrere 10.000 ha Wald wurden ein Raub der Flammen. Auch in Deutschland loderten kleinere Brände auf, die aber rasch gelöscht werden konnten und keinen größeren Schaden anrichteten.
In Frankreich führte das Gesundheitsministerium 11.000 Todesfälle auf die Folgen der Hitze zurück.

Quellen:
Nasa Goddard Institute for Space Studies
NOAA Nacional Climatic Data Center
Berliner Wetterkarte
Deutscher Wetterdienst, Witterungsreport
Der Tagesanzeiger, Zürich