Abschwächung von extratropischen Tiefdruckgebieten durch Wolkenstrahlungseffekte

Das Wettergeschehen der mittleren Breiten wird maßgeblich durch Tiefdruckgebiete geprägt, die entlang des Strahlstroms, einem Band von besonders starken Westwinden, von West nach Ost ziehen. Wie sich der Strahlstrom und Tiefdruckgebiete im Rahmen des globalen Klimawandels ändern und damit lokale Klimaänderungen beeinflussen werden, ist ein wichtiges Feld der Klimaforschung. Die Nachwuchsgruppe von Dr. Aiko Voigt beschäftigt sich mit dieser Frage. Insbesondere gehen die Wissenschaftler dabei der Frage nach, welche Rolle die Strahlungswechselwirkungen von Wolken dabei spielen.

In einer kürzlich erschienenen Publikation in der internationalen Fachzeitschrift Geophysical Research Letters konnten Sophia Schäfer und Aiko Voigt zum ersten Mal zeigen, dass das Heizen und Kühlen der Atmosphäre durch Strahlung einen wichtigen Einfluss auf idealisierte Tiefdruckgebiete haben kann. Dazu führten die beiden Wissenschaftler numerische Simulationen mit dem Atmosphärenmodell ICON auf einem Wasserplaneten ohne Kontinente durch. Sie untersuchten, wie das Vorhandensein, oder die Abwesenheit, von Strahlung die Lebenszyklen und die Stärke von idealisierten Tiefdruckgebieten beeinflusst. Außerdem variierten sie den Feuchtegehalt der Atmosphäre, um den Strahlungseffekt mit dem schon seit langem bekannten und untersuchten Effekt von latentem Heizen durch Kondensation von Wasserdampf zu vergleichen.

 

Zeitliche Entwicklung der Stärke der idealisieren Tiefdruckgebiete in den Simulationen mit dem ICON Atmosphärenmodell. Die Stärke wird durch das globale Mittel der kinetischen Wirbelenergie (englisch: EKE – eddy kinetic enery) in der oberen Troposphäre bei 300 hPa Druck gemessen. Die Tiefdruckgebiete erreichen ihre maximale Stärke um Tag 7 nach Beginn der Simulationen. RH0 gibt die relative Feuchte der Atmosphäre zum Beginn der Simulationen an. Eine trockene Atmosphäre ohne latentes Heizen ist dabei mit RH0=0% gekennzeichnet, eine feuchte Atmosphäre mit RH0=80%.

In den Simulationen entwickeln sich die Tiefdruckgebiete dabei über einen Zeitraum von wenigen Tagen. Ihre Stärke ist in Abhängigkeit von der Zeit in nebenstehendem Bild dargestellt und wird durch die kinetische Wirbelenergie (englisch eddy kinetic energey, EKE) in der oberen Troposphäre gemessen. In Übereinstimmung mit früheren Studien führt latentes Heizen zu einer deutlichen Verstärkung des Tiefdruckgebiets (graue versus schwarze Kurve). Interessanterweise schwächt das Vorhandensein von Strahlung im Gegensatz dazu das Tiefdruckgebiet deutlich ab (rote versus graue Kurve). Ein beträchtlicher Anteil des abschwächenden Strahlungseffekts ist dabei auf Wolken zurückzuführen (blaue versus rote Kurve), wie ein Vergleich mit Simulationen, in denen Wolken durchsichtig für Strahlung gemacht wurden, zeigt. Die beiden Forscher glauben, dass die Wolken im sogenannten „Warm Conveyor Belt“ des Tiefdruckgebiets dabei eine besondere Rolle spielen. In diesem Gebiet steigt Luft großräumige wie bei einem Förderband auf, was zu Wolkenstrukturen führt, die sich vertikal über viele Kilometer von der Grenzschicht bis zur Tropopause erstrecken.

Aufbauend auf diesem Resultat planen die Wissenschaftler um Aiko Voigt, den Strahlungseffekt auch in Simulationen mit tatsächlich aufgetretenen Tiefdruckgebieten zu studieren. Dabei wollen sie insbesondere auch Beobachtungen der flugzeuggestützen NAWDEX Messkampagne, die im Herbst 2016 über dem Gebiet des Nordatlantiks stattfand, in ihre Arbeiten einbeziehen.

Referenz: Schäfer, S. A. K. und A. Voigt (2018), Radiation weakens idealized midlatitude cyclones, Geophysical Research Letters, 43, 2833-2841.

[Arbeitsgruppe: Wolken und Sturmzugbahnen]