Ausbreitung der Vulkanasche nach dem Raikoke Ausbruch im Juni 2019

Die Ausbreitungsvorhersage von Vulkanausbrüchen mit komplexer Dynamik ist eine Herausforderung. Wir stellen hier eine Lösung vor.

In der Arbeitsgruppe ‚Spurenstoffmodellierung und Klimaprozesse‘ verwenden wir das Vorhersagesystem ICON-ART und entwickeln es weiter. ICON-ART erlaubt es, neben einer gewöhnlichen Wettervorhersage unter anderem auch die Ausbreitung und Umwandlung von Aerosolen und Spurengasen und deren Wechselwirkungen mit der Atmosphäre zu berechnen. Wir wollen hier ein Beispiel zeigen, bei dem die Ausbreitung vulkanischer Aerosole für den Ausbruch des Raikoke im Juni 2019 simuliert wird.

Der letzte Vulkanausbruch des Raikoke auf den Kurilen ereignete sich am 21. Juni 2019. Dabei erreichte die Fahne eine Höhe von bis zu 14 km. Die Besonderheit der Eruption bestand darin, dass der Vulkan nicht in einer einzigen Phase, sondern in mehreren kleinen Phasen unterschiedlicher Höhen emittierte. Die Gesamtdauer, über die die Emissionen stattfanden, betrug etwa 5,5 Stunden und war verteilt auf 10 Phasen. Der Zeitraum zwischen Beginn der ersten Phase und Ende der letzten Phase betrug ca. 13 Stunden.

In den meisten Vorhersagemodellen werden Vulkaneruptionen nur sehr vereinfacht dargestellt: Die Höhe und die Quellstärke werden fest vorgeschrieben und können sich im Verlaufe des Ausbruchs durch z.B. den Einfluss der Atmosphäre oder vulkanologische Gegebenheiten nicht ändern. Zusätzlich basiert die Quellstärke meist auf einem einfachen empirischen Zusammenhang. Dieser Ansatz ist für eine Reihe von Vulkanausbrüchen auch gerechtfertigt. Im Falle des Raikoke-Ausbruchs führt es allerdings zu Fehlern in der Ausbreitungsvorhersage, besonders in der Zeitspanne der Eruption.

Um die Komplexität des Raikoke-Ausbruchs in unserer Ausbreitungsvorhersage berücksichtigen zu können, haben wir ICON-ART mit einem eindimensionalen Vulkanmodell (FPlume [1]) gekoppelt. FPlume berechnet eine gesamte Masseneruptionsrate (MER) zu jedem Zeitschritt basierend auf der Fahnenhöhe aus Satellitendaten sowie dem Zustand der Atmosphäre am Ort des Ausbruchs. Die resultierende MER wird dann multipliziert mit einem Faktor, um den Anteil der sehr kleinen Aschepartikel, die relevant sind für den Transport in der Atmosphäre, zu ermitteln.  Diese Information wird dann als Quellstärke für den Ausbruch zusammen mit der Höhe der Vulkanfahne aus den Satellitenmessungen zur Ausbreitungsrechnung in ICON-ART verwendet (Abbildung 1).

Abb. 1: Masseneruptionsrate von sehr feiner Asche (kleiner als 30µm) während des Raikoke-Ausbruchs, berechnet mit dem 1D Vulkanmodel FPlume. Die einzelnen Eruptionsphasen sind durch graue Schattierung gekennzeichnet. Diese Daten dienen als Emissionsstärke für unsere ICON-ART Ausbreitungsvorhersage.

 

Abbildung 2 zeigt die zeitliche Entwicklung der Gesamtaschemasse für verschiedene Experimente und Beobachtungen (schwarz: Satellitenbeobachtungen des AHI-Instruments auf dem Himawari-Satelliten; Rot: konstante Emission [2]; Blau: mit simulierter Eruptionsphase). Man sieht besonders in den Anfangsstunden des Ausbruchs eine deutliche Verbesserung der vorhergesagten Aschemasse gegenüber der konstanten Emission, wenn die Emissionen der einzelnen Phasen zeitlich aufgelöst werden. Zum einen stimmt die Maximalmasse besser mit den Beobachtungen überein. Dies folgt aus der genaueren Berechnung der Quellstärke und der Verbesserung der Ausbruchslänge. Zum anderen ist der Anstieg der Masse in den ersten 20 Stunden besser wiedergegeben, wenn die verschiedenen Phasen der Eruption einzeln simuliert werden.

Abb. 2: Zeitlicher Verlauf der gesamten Aschemasse des Raikoke-Vulkans in der Atmosphäre. Die x-Achse zeigt die Stunden relativ zum Startdatum der ICON-ART-Simulationen am 21. Juni, 12 UTC. Die Emission beginnt etwa 6 Stunden später. Die grüne Kurve bezieht sich auf ein Experiment mit konstanten Emissionen über einen kontinuierlichen Zeitraum. Die rote Kurve stammt aus unserem Experiment mit dem neuen Ansatz (FPlume-Modell für Emissionsstärke und Auflösung der einzelnen Eruptionsphasen). Die schwarze Kurve zeigt Beobachtungsdaten des AHI-Instruments an Bord des Himawari-8-Satelliten (graue Schattierung: AHI-Unsicherheitsbereich)

Die Ergebnisse wurden zur Veröffentlichung bei der Fachzeitschrift ‚Atmospheric Chemistry and Physics‘ eingereicht und befinden sich aktuell in der Begutachtung [3]. Die Arbeiten wurden im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe VolImpact durchgeführt [4].

[1] Folch, A., Costa, A., and Macedonio, G.: FPLUME-1.0: An integral volcanic plume model accounting for ash aggregation, Geosci. Model Dev., 9, 431–450, https://doi.org/10.5194/gmd-9-431-2016, 2016.

[2] Muser, L. O., Hoshyaripour, G. A., Bruckert, J., Horváth, Á., Malinina, E., Wallis, S., Prata, F. J., Rozanov, A., von Savigny, C., Vogel, H., and Vogel, B.: Particle aging and aerosol–radiation interaction affect volcanic plume dispersion: evidence from the Raikoke 2019 eruption, Atmos. Chem. Phys., 20, 15015–15036, https://doi.org/10.5194/acp-20-15015-2020, 2020.

[3] Bruckert, J., Hoshyaripour, G. A., Horváth, Á., Muser, L., Prata, F. J., Hoose, C., and Vogel, B.: Online treatment of eruption dynamics improves the volcanic ash and SO2 dispersion forecast: case of the Raikoke 2019 eruption, Atmos. Chem. Phys. Discuss. [preprint], https://doi.org/10.5194/acp-2021-459, in review, 2021.

[4] https://physik.uni-greifswald.de/ag-von-savigny/projects/dfg-research-unit-volimpact-for-2820/