Künstliche Intelligenz hilft bei der Unterscheidung von Starkwindbereichen in Winterstürmen

Tiefdruckgebiete im Winter sind oft mit starken Winden und Niederschlägen verbunden. Erstere treten typischerweise vor allem in gewissen Teilregionen der Tiefs auf. Insbesondere der sogenannte “Warm Jet” vor der Kaltfront, der “Cold Jet” vor der Warm- oder Okklusionsfront, Konvektion an und starke Winde hinter der Kaltfront verursachen häufig hohe Windgeschwindigkeiten und Orkanböen. Die verschiedenen Starkwindbereiche haben unterschiedliche meteorologische Eigenschaften und treten zu bestimmten Zeiten relativ zum Lebenszyklus eines Tiefdruckgebietes auf. Daher wird vermutet, dass sie auch verschieden gut vorhergesagt werden können.

Genau diese unterschiedlichen Eigenschaften wurden nun von einem Team um die IMK-TRO-Doktorandin Lea Eisenstein genutzt, um die verschiedenen Gebiete mit hohen Windgeschwindigkeiten objektiv zu identifizieren [1]. “Die Identifikation stellte sich als deutlich schwieriger heraus als wir es zunächst gedacht hatten”, sagt Eisenstein. “Dies liegt vor allem an den erheblichen Unterschieden von Tief zu Tief und z.T. auch am Einfluss der inhomogenen Landoberfläche.” In Zusammenarbeit mit Benedikt Schulz, Doktorand in der Mathematik, wurde schließlich eine zufriedenstellende Lösung gefunden. Der Schlüssel liegt dabei – wie so oft in der derzeitigen Forschung – in der Nutzung von Methoden der künstlichen Intelligenz, in diesem Falle eines probabilistischen Random Forest.

Um diesen zu trainieren, wurden die Starkwindbereiche von 12 Sturmtiefs zunächst subjektiv mithilfe von Stationsbeobachtungen identifiziert. In das Training fließen dann lediglich acht meteorologische Größen ein: der Luftdruck, die potentielle Temperatur, der Niederschlag, die Windgeschwindigkeit, die Windrichtung, sowie die stündlichen Tendenzen von Druck, potentieller Temperatur und Windrichtung. Dabei wurden sowohl die Windgeschwindigkeit als auch die potentielle Temperatur mit einer Klimatologie normiert, um Tages-/Jahreszyklen und stationsspezifische Effekte zu entfernen.

“Es zeigt sich, dass der Random Forest aus diesen Daten physikalisch sinnvolle Muster lernen kann”, führt Schulz aus. “So gibt z.B. die Drucktendenz Aufschluss darüber, ob wir uns vor oder hinter der Kaltfront befinden, während der Niederschlag ein wichtiges Zeichen für die Konvektion entlang der Kaltfront ist und der absolute Luftdruck andeutet, wie nah wir uns am Tiefdruckkern befinden.” Letzten Endes gibt der Random Forest dann an jeder Station und für jeden Zeitschritt eine Wahrscheinlichkeit an, welcher Starkwindtyp gerade vorherrscht. Um aus den unregelmäßig verteilten Stationsdaten Gebietsinformationen zu erlangen, werden diese Wahrscheinlichkeiten über Europa interpoliert. Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für Sturmtief Burglind (03.01.2018), weitere Zeitschritte und Fallstudien sind unter [2] verfügbar.

Die neue Methode wurde unter dem Namen RAMEFI (Random-forest based mesoscale wind-feature identification) als frei zugängliche Software veröffentlicht [3] und kann so auch von anderen Forschenden genutzt werden. Einmal trainiert, kann der Random Forest leicht auf andere Datensätze, wie z.B. Reanalysen oder Modellvorhersagen, unabhängig von der jeweiligen räumlichen Auflösung angewandt werden. Lediglich die acht Parameter müssen in stündlicher Auflösung zur Verfügung stehen.

“Insgesamt können wir so durch einen relativ einfachen Ansatz basierend auf wenigen Parametern die Starkwindbereiche gut identifizieren”, bilanziert Eisenstein, “auch wenn in manchen untypischen Fällen, wie z.B. sekundären Fronten, eine Unterscheidung schwierig bleibt.” Als nächste große Herausforderung steht jetzt an zu untersuchen, inwieweit sich Vorhersagefehler in den verschiedenen Bereichen unterscheiden und somit auch getrennt statistisch korrigieren lassen.

Abb. 1: Durch RAMEFI berechnete Wahrscheinlichkeiten f für die verschiedenen Starkwindbereiche (WJ – Warm Jet, CFC – Konvektion an der Kaltfront, CJ – Cold Jet und CS – Kaltsektorwinde) für Sturm Burglind am 3. Januar 2018, 6 UTC. In den relativ kleinen, grau schattierten Bereichen konnte kein typisches Verhalten diagnostiziert werden. Vereinfacht aus [1], Abbildung 4.

[1] Eisenstein, L., Schulz, B., Qadir, G. A., Pinto, J. G., and Knippertz, P.: Objective identification of high-wind features within extratropical cyclones using a probabilistic random forest (RAMEFI). Part I: Method and illustrative case studies, Weather Clim. Dynam. Discuss. [preprint], https://doi.org/10.5194/wcd-2022-29, in review, 2022.

[2] Eisenstein, L., Schulz, B., Qadir, G. A., Pinto, J. G., and Knippertz, P.: Objective identification of high-wind features within extratropical cyclones using a probabilistic random forest. Part I: Method and illustrative case studies - Video Supplement, https://doi.org/10.5281/zenodo.6541277, 2022.

[3] Eisenstein, L.., Schulz, B., Qadir, G. A., Pinto, J. G., and Knippertz, P.: RAMEFI (RAndom-forest based MEsoscale wind Feature Identification), https://doi.org/10.5281/zenodo.6541303, 2022a.

Arbeitsgruppe: "Atmosphärische Dynamik"