Wie warm conveyor belts die Hitzewelle 2021 in Nordamerika beeinflussten

Warm conveyor belts, die in Verbindung mit Tiefdruckgebieten über dem Nordpazifik auftraten, beeinflussten die Vorhersage der rekordverdächtigen Hitzewelle im Westen Nordamerikas im Sommer 2021.

Ende Juni 2021 trat im Westen Nordamerikas eine intensive Hitzewelle mit noch nie dagewesenen Temperaturextremen und weitreichenden sozioökonomischen und ökologischen Folgen auf [1,2]. In Lytton, einer Kleinstadt in der kanadischen Provinz British Columbia, wurde die bisherige Höchsttemperatur in Kanada um 5 K überschritten [3]. Es ist bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit rekordverdächtiger Temperaturextreme in einem sich verändernden Klima zunehmen wird [4]. Dennoch war die extreme Temperaturanomalie dieses Ereignisses außerordentlich ungewöhnlich, selbst unter Berücksichtigung der aktuellen Klimaveränderungen [3]. Um Risiken solcher Extremereignisse frühzeitig entgegenzuwirken, ist der Vorhersagehorizont solcher Extremereignisse von entscheidender Bedeutung und es stellt sich die Frage, wie gut operationelle Wettervorhersagesysteme solche noch nie dagewesenen Ereignisse prognostizieren können.

Fig. 1: (a) ERA5 2-m Temperatur Anomalie am 29 Juni 2021 00 UTC im Vergleich zur Juni/Juli ERA5 Klimatologie zwischen 1979 und 2019 (Farbschattierung in K) und die Position von Lytton, BC (gelber Stern). Gezeigt sind auch die 2 PVU Linie auf der 335 K isentropen Fläche (schwarz), und das negative PV Anomalieobjekt in der oberen Troposphäre (rot). (b) Verteilungen der Ensemble Vorhersagen von Temperatur auf 850-hPa am 29 Juni 2021 00 UTC gemittelt über das gelbe 20° × 20° Gebiet um Lytton herum, welches die heiße Luftmasse widerspiegelt. Die Ensemble Vorhersagen wurden täglich um 00 UTC zwischen dem 14. und 29. Juni 2021 initialisiert. Die farbigen Rauten stellen die Kontrollvorhersage (blau), den Ensemble-Mittelwert (orange) und die hochaufgelöste Vorhersage (grün) dar, die Box (Whisker) markiert den 25-75 Interquartilabstand (1-99 Interquantilabstand), und die grauen Punkte zeigen die Maximal- und Minimalwerte.

Gemeinsames Interesse an diesem einschneidenden Extremereignis führte zu einer kooperativen Studie dessen Vorhersagbarkeit, die kürzlich in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde [1]. Expertise von Kollegen des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) und des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) ermöglichte es, die Rolle stark aufsteigender Luftströme, sogenannter Warm Conveyor Belts (WCBs), für die Vorhersagbarkeit der anomalen Hitze besser zu verstehen.

Die Hitzewelle trat unterhalb eines umgangssprachlich genannten "Hitzedoms" auf, einem quasistationären Hochdrucksystem mit großer Amplitude und einem ausgeprägten obertroposphärischen Rücken über dem westlichen Nordamerika (Abb. 1a). Dies entspricht einer üblichen Strömungskonfiguration für Hitzewellen [5,6,7]. Unsere Studie zeigt, dass dieser Rücken eindeutig mit der Intensität der Hitzewelle verbunden war [1]. Rückwärtstrajektorien, die aus dem Höhenrücken gestartet wurden, zeigen, dass der Rücken kontinuierlich von Luftmassen aus der unteren Troposphäre beeinflusst wurde. Das Einfließen von Luftmassen aus der unteren Troposphäre in atmosphärische Rücken ist ein effektiver physikalischer Mechanismus zur Verstärkung von Höhenrücken [8,9]. Obwohl überdurchschnittlich hohe Temperaturen bereits auf sub-saisonalen Vorhersagezeitskalen von 2-3 Wochen prognostiziert wurden [10,11], konnte das extreme Ausmaß der Hitzewelle von operationellen  Wettervorhersagemodellen mit Vorhersagezeitskalen von mehr als ∼7 Tagen nicht erfasst werden (Abb. 1b). Im Gegensatz dazu wurde die Temperatur um fast 15 K unterschätzt. Nur bei Vorhersagezeiträumen von weniger als 7 Tagen konnten die noch nie dagewesenen Temperaturen durch das Ensemble-Vorhersagesystem des ECMWF adäquat prognostiziert werden.

Fig. 2: Komposit des Fehlers der Häufigkeit von warm conveyor belt (WCB) Aktivität in der oberen Troposphäre (Farbschattierung) und die 2 PVU Linie auf der 335 K isentropen Fläche (gestrichelt) der "schlechten" Vorhersagen. Die grüne Linie zeigt den Bereich der (WCB) Aktivität in der oberen Troposphäre und die durchgezogene schwarze Linie zeigt die 2 PVU Linie auf der 335 K isentropen Fläche im analysierten Zustand der Atmosphäre. Die orangene Farbschattierung (Schraffur) hebt Regionen mit anomal hoher Tropopausenhöhe hervor. Panel (a) zeigt den 24. Juni, (b) den 27. Juni, (c) den 28. Juni und (d) den 29. Juni.

Um zu verstehen, was die Vorhersagbarkeit der extremen Hitze beeinflusste, wurden operationelle Ensemble-Vorhersagen des ECMWF für dieses Ereignis analysiert, welche insgesamt je 51  Einzelvorhersagen umfassen. Insgesamt wurden 765 einzelne Mittelfrist-Vorhersagen betrachtet, die innerhalb zwei Wochen vor dem Höhepunkt der Hitzewelle initialisiert wurden. Die Vorhersagen wurden in "gute" oder "schlechte" Vorhersagen eingeteilt, basierend auf ihrer Fähigkeit, den großräumigen Höhenrücken darzustellen. Innerhalb beider Gruppen wurden WCB Footprints mithilfe eines neuen Machine-Learning-Modells (ELIAS2.0) erkannt [12].

Eine detaillierte Analyse der WCB-Aktivität im Nordpazifik zeigt, dass WCBs während der zwei Wochen vor der Hitzewelle häufiger aufstiegen als sonst. Diese WCB-Luftströme interagierten mit dem obertroposphärischen Jetstream, was den sich aufbauenden Rücken in der oberen Troposphäre und die damit einhergehende anomale Hitze verstärkte. Diese einzelnen WCB-Aufstiegsepisoden wurden in "schlechten" Vorhersagen unzureichend dargestellt und unterschätzt (Abb. 2). Anfängliche Falschdarstellung des WCB Aufstiegs im Westpazifik (Abb. 2a) und dessen Interaktion mit dem Jetstream führte zu Fehlern im Rossby-Wellen Muster und dessen Entwicklung stromabwärts. Folglich wurde der stromabwärts gerichtete WCB-Aufstieg im Ostpazifik unterschätzt (Abb. 2b,c). Letztlich führte die fehlende WCB-Aktivität an der stromaufwärts gelegenen Flanke des Rückens zu einer falschen Darstellung und Unterschätzung der Position des Rückens (Abb. 2d), was die korrekte Vorhersage der extremen Hitze verhinderte. Diese Prozesskette wurde in "guten" Vorhersagen korrekt dargestellt, welche  erst  initialisiert wurden nachdem sich die Temperaturvorhersage abrupt verbessert (Abb. 1b). Im Gegensatz dazu wurden "schlechte" Vorhersagen zu früheren Zeitpunkten initialisiert, was auf das Vorhandensein einer mittelfristigen Vorhersagbarkeitsbarriere hinweist, d.h. Vorhersagen, die vor dieser Vorhersagbarkeitsbarriere initialisiert wurden, waren nicht in der Lage, die anomale Hitze korrekt vorherzusagen. Wir kommen zu dem Schluss, dass diese Kette von synoptischen Ereignissen über dem Nordpazifik für die Position des Höhenrückens entscheidend war und eine Vorhersagbarkeitsbarriere für das extreme Ausmaß der Hitzewelle darstellte.

Referenzen

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[2] White, R. H., Anderson, S., Booth, J. F., Braich, G., Draeger, C., Fei, C., et al. (2023). The unprecedented Pacific Northwest heatwave of June 2021. Nature Communications, 14, 727. https://doi.org/10.1038/s41467-023-36289-3

[3] Philip, S. Y., Kew, S. F., Oldenborgh, G. J. V., Yang, W., Vecchi, G. A., Anslow, F. S., et al. (2021). Rapid attribution analysis of the extraordinary heatwave on the Pacific Coast of the US and Canada June 2021 (pp. 119–123). World Weather Attribution. https://doi.org/10.5194/esd-2021-90 

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[12] Quinting, J. F., Grams, C. M., Oertel, A., & Pickl, M. (2022). EuLerian Identification of ascending AirStreams (ELIAS 2.0) in numerical weather prediction and climate models – Part 2: Model application to different datasets. Geoscientific Model Development, 15(2), 731–744. https://doi.org/10.5194/gmd-15-731-2022

21.03..2023 

Oertel, A., Pickl, M., and Grams, C. M. Working Groups: “Large-scale Dynamics and Predictability” and “Cloud Physics”
LINKS:

https://www.imk-tro.kit.edu/english/7425.php

https://www.imk-tro.kit.edu/english/5599.php