Die dunkle Seite des Staubes

Am letzten Wochenende (06.02.21) verursachte die vorliegende Wettersituation einen starken Transport von Saharastaub nach Europa. Dieses führte nicht nur in der Schweiz (Abb. 1) und Österreich (Abb. 2) zu einer deutlichen Verfärbung des Himmels, auch in Baden-Württemberg (Abb. 3) war das Ereignis gut zu beobachten. Dass es sich um Saharastaub in der Atmosphäre handelt, wurde durch den nachfolgenden Niederschlag und die damit verbundene Deposition auf Autos (Abb.4) deutlich sichtbar.

Abb. 1 Sernfttal, Schweiz
Abb. 2 Zell, Österreich, @U. Schreyer

Mit dem Modellsystem ICON-ART, das am IMK entwickelt wurde, werden beim Deutschen Wetterdienst seit 2017 präoperationelle Mineralstaubvorhersagen durchgeführt. Ziel dieser Vorhersagen ist es, die Reduktion der Photovoltaikproduktion durch erhöhte Mineralstaubkonzentrationen in der Atmosphäre besser vorhersagen zu können und damit auch eine verbesserte Prognose des Photovoltaikertrags.

Die täglichen Vorhersagen können auf der Webseite des WMO Sand and Dust Storm Warning Advisory and Assessment System (https://sds-was.aemet.es/forecast-products/dust-forecasts/forecast-comparison) und in Kürze auch unter https://www.imk-tro.kit.edu/10581.php eingesehen werden.

Abb. 3: Kressbronn, @D. Stache
Abb. 4: Karlsruhe

Die Animation (Abb. 5) zeigt die Freisetzung des Mineralstaubs am 05.02.21 über dem Atlas Gebirge und den anschließenden Transport nach Europa. Zu dem Zeitpunkt als die Vorhersage erstellt wurde, befand sich der Staub in der Wüste noch am Boden. Vorderseitig eines weit nach Süden reichenden Höhentiefs und der damit verbundenen Kaltfront wurden an Wetterstationen im Atlasgebirge orkanartige Böen registriert (z.B. 117 km/h am 05.02.21 in Midelt, Marokko). Die hohen Windgeschwindigkeiten nahe des Bodens führten letztendlich zur Freisetzung des Staubs, welcher dann eingelagert in eine südliche Strömung Richtung Mittelmeer verfrachtet wurde. Dort bildete sich ein Tiefdruckgebiet dessen sogenanntes Warmluftförderband (warm conveyor belt) den Staub in größere Höhen gehoben hat und mit dem Polarjet über das Mittelmeer hinweg in Richtung der Alpen verfrachtete. Die Alpen erreichte der Staub am 06.02.. Am Observatorium am Jungfraujoch, Schweiz wurde eine maximale Staubkonzentration von über 700 µg m-3 gemessen (NABEL (BAFU/Empa)). Der Tagesgrenzwert in Deutschland liegt bei 50 µg m-3 (35 Überschreitungen pro Jahr zulässig). Die Abbildung 6 zeigt zum Vergleich die simulierte PM10 Konzentration und die Aerosol Optische Dicke (AOD).

 
Abb. 5: Mit ICON-ART simulierte zeitliche Entwicklung der AOD.
Abb. 6: Beobachtete (NABEL-Meßnetz) und simulierte PM10 Konzentration,
sowie simulierte AOD am Jungfraujoch, Schweiz (06.02.2021)

Welche Bedeutung hatte das Staubereignis auf die Ausbeute an Solarenergie in Deutschland?  Mineralstaub in der Atmosphäre modifiziert zum einen die Strahlung (wie auf den Fotos zu sehen), beeinflusst aber zum anderen auch die Wolkenbildung. Beide Prozesse zusammen werden derzeit in den Wettervorhersagemodellen nicht berücksichtigt, was am vergangenen Wochenende zu einer deutlichen Überschätzung (bis zu 50 %) des prognostizierten Solarenergieertrags für den Südwesten geführt hat (Abb. 7). Am IMK-TRO arbeiten wir im  Projekt PermaStrom (https://www.kit.edu/kit/pi_2020_060_aerosole-beeinflussen-solarstromertrag-in-europa.php) an einer verbesserten Beschreibung dieser Prozesse in der operationellen Wettervorhersage.

Abb. 7: Prognostizierter und eingespeister PV-Eintrag für Südwestdeutschland.
Datenquelle: https://transparency.entsoe.eu/

 

Ansprechpartner:

Bernhard Vogel, Ali Hoshyaripour, AG Spurenstoffmodellierung und Klimaprozesse

Christian Grams, Julian Quinting, AG Großräumige Dynamik und Vorhersagbarkeit