Hagelgewitter in Südamerika und Australien

Wertvolle Daten für Versicherungen: Mithilfe von Satelliten wird die räumlich Verteilung und Häufigkeit von Hagel abgeschätzt
Jannick Fischer

Abb. 1: Beispiel eines Gewitters mit Overshooting Top im Foto (links) und im Satellitenbild in rot markiert (rechts). Die Satellitenaufnahme zeigt außerdem den Ort von bei diesem Gewitter beobachtetem Hagel mit 7,5 cm Durchmesser (©Jannick Fischer).

Hagelstürme stellen in vielen Teilen der Welt eines der größten atmosphärischen Risiken dar. So kann der versicherte Hagelschaden durch eine einzige Gewitterzelle mehrere Milliarden Euro betragen (Kunz et al., 2018). Das Wissen darüber, wo, wie häufig und in welcher Intensität mit Hagel zu rechnen ist, ist daher besonders für Versicherungen interessant, um solideren Schätzungen der erforderlichen Prämien zu machen.

Im Vergleich zu anderen atmosphärischen Gefahren betreffen Hagelstürme nur kleine Gebiete. Zusammen mit der lokalen Seltenheit bedeutet dies, dass wenig über die räumliche Verteilung und Häufigkeit von Hagel bekannt ist. Das gilt insbesonders für Regionen der Welt die weniger dicht bevölkert sind und in denen wenig in die Forschung an Gewittern investiert werden kann. Beispielswiese in Südamerika sind die Abschätzungen zu Hagel noch unsicher, obwohl dort vermutlich die stärksten Gewitter der Welt beobachtet werden (Zipser et al., 2006).

Im Projekt „Willis Hail Hazard Assessment“ der Gruppe Atmosphärische Risiken in Zusammenarbeit mit Willis Towers Watson wurden kürzlich neue Hagelgefahrenmodelle für Südamerika und Australien entwickelt. Mit Daten der NASA (Bedka et al. 2018, Khlopenkov et al. 2021) werden darin hagelerzeugende Gewitter mithilfe von Satellitendaten anhand sogenannter „Overshooting Cloud Tops“ identifiziert (siehe Abb. 1). Verschiedene weitere Daten einschließlich direkte Hagelbeobachtungen oder Klimamodeldaten werden in diesem Zusammenhang einbezogen (Punge et al., 2023). Für beide Kontinente stehen mindestens 20 Jahre mit Satellitenbeobachtungen zur Verfügung, was eine robuste Einschätzung der Klimatologie von Hagelereignissen ermöglicht. Wie Abbildung 2 zeigt, treten besonders viele Hagelgewitter im zentralen Südosten Südamerikas – lokal entlang der Anden, sowie im Südosten Australiens auf.

Abb. 2: Anzahl an Hagel Tagen pro Jahr (Tage mit mindestens 10 Overshooting Tops pro 0,5° x 0,5° Gitterpunkt; ©Jannick Fischer).

 

Die stochastische Modellierung der Häufigkeit, Länge, Breite und Schwere von Hagelereignissen erlaubt es dann eine große Anzahl potenzieller Hagelstürme künstlich am Computer zu erzeugen, die in einem Zeitraum von mehreren tausend Jahren erwartet werden (Punge et al., 2023). Diese können für weitere Analysen der Versicherung benutzt werden und liefern zusätzlich eine grobe Abschätzung der Wiederkehrperioden von Hagel. Beispielsweise zeigt Abbildung 3, dass im Osten von Argentinien alle 200 Jahre mit extremem Hagel von etwa 10 cm Durchmesser zu rechnen ist.

In den kommenden Jahren wird sich das Projekt verstärkt auf das physikalische Verständnis der Hagelbildung und der vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen bei Hagelereignissen konzentrieren, auch im Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Häufigkeit von Hagel (vgl. Allen et al., 2020).

Abb. 3: Abschätzung der Hagelgröße (in cm) mit der alle 200 Jahre (an einem Ort mit 4 km2 Fläche) zu rechnen ist (©Jannick Fischer).

Referenzen:

Allen, J. T., Giammanco, I. M., Kumjian, M. R., Punge, H. J., Zhang, Q., Groenemeijer, P., Kunz, M., Ortega, K. (2020): Understanding hail in the earth system, Rev. Geophys., 58 (1), e2019RG000665, doi:10.1029/2019RG000665.

Bedka, K. M., Allen, J. T., Punge, H. J., Kunz, M., & Simanovic, D. (2018). A long-term overshooting convective cloud-top detection database over Australia derived from MTSAT Japanese Advanced Meteorological Imager Observations. Journal of Applied Meteorology and Climatology, 57(4), 937–951. https://doi.org/10.1175/JAMC-D-17-0056.1

Khlopenkov, K. V., Bedka, K. M., Cooney, J. W., & Itterly, K. (2021). Recent Advances in Detection of Overshooting Cloud Tops From Longwave Infrared Satellite Imagery. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 126(14), 1–25. https://doi.org/10.1029/2020JD034359

Kunz, M., Blahak, U., Handwerker, J., Schmidberger, M., Punge, H. J., Mohr, S., Fluck, E., Bedka, K. M. (2018): The severe hailstorm in SW Germany on  28 July 2013: Characteristics, impacts, and meteorological conditions. Q. J. R. Meteor. Soc., 144, 231-250, doi:10.1002/qj.3197.

Punge, H. J., Bedka, K. M., Kunz, M., Bang, S. D., Itterly, K. F. (2023): Characteristics of hail hazard in South Africa based on satellite detection of convective storms, Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 23, 1549–1576, doi:10.5194/nhess-23-1549-2023.

Zipser, E. J., Cecil, D. J., Liu, C., Nesbitt, S. W., Yorty, D. P. (2006). Where are the most: Intense thunderstorms on Earth? Bulletin of the American Meteorological Society, 87(8), 1057–1071. doi:10.1175/BAMS-87-8-1057.

[Arbeitsgruppe: Atmosphärische Risiken]
Autoren: Jannick Fischer (Februar 2024)