FLORIS: Determination of characteristics of flood-causing precipitation in southwestern Germany and stochastic simulation of heavy precipitation

  • Contact:

    Prof. Dr. M. Kunz

  • Project Group:

    IMK-TRO

  • Funding:

    SV SparkassenVersicherung AG, Stuttgart

  • Partner:

    Institute for Water and River Basin Management (IWG), James Daniell Natural Hazards Risk Consultant

Hochwasserrisiko in Südwestdeutschland

Schwere Hochwasserereignisse führen immer wieder in Deutschland zu schweren  Schäden in Milliardenhöhe – wie die Ereignisse 2002 und 2013 an Elbe und Donau gezeigt haben. Basierend auf einem fachübergreifenden Forschungsprojekt zwischen IMK-TRO, IWG und GPI kann zukünftig das Risiko großräumiger Überschwemmungen mit Hilfe eines neu entwickelten Ansatzes abgeschätzt werden.

Die schwersten Hochwasser der vergangenen Jahre ereigneten sich im August 2002 und Juni 2013 entlang der Elbe und der Donau mit einem Gesamtschaden beider Ereignisse von rund 22 Milliarden Euro. Vergleichbare Überschwemmungen in Baden-Württemberg entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse ereigneten sich zuletzt Anfang der 1990er Jahre.

Im Rahmen des Forschungsprojekts „FLORIS“ (Flood Risk – Hochwasser-Risiko) wurde am KIT ein Hochwasserrisikomodell für die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen entwickelt, mit dem das Risiko, also der zu erwartende Schaden für eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, in diesen Regionen realistisch abgeschätzt werden kann. Die Arbeiten erfolgten in Kooperation mit der SV SparkassenVersicherung. Da Hochwasserereignisse durch unterschiedliche meteorologische und hydrologische Situationen und Bedingungen ausgelöst werden können, wurden zunächst am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) des KIT die meteorologischen Bedingungen im Vorfeld und während schwerer Hochwasser analysiert und mithilfe eines stochastischen Niederschlagsmodells quantifiziert. Auf Basis der so gewonnenen Daten wurden anschließend vom Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) hydrologische und hydraulische Simulationen durchgeführt, aus denen anschließend mit neu entwickelten Vulnerabilitätskurven das Hochwasserrisiko abgeschätzt werden kann.

Meteorologische Untersuchungen

Niederschlagsmessungen über einen längeren Zeitraum liegen nur als Punktmessungen an einzelnen Stationen vor, die räumlich meist nicht homogen verteilt sind. Insbesondere über Gebirgen ist die Dichte der Messstationen oft sehr gering. Für eine quantitative Analyse der zu Hochwasser führenden Niederschlagsereignisse sind aber räumlich und auch zeitlich hochaufgelöste Niederschlagsdaten unbedingt erforderlich, denn nur dann sind repräsentative Aussagen für größere Gebiete wie Flusseinzugsgebiete oder ganze Flusssysteme möglich. Weiterhin liegen die meisten Niederschlagsmessungen nur für Zeiträume von mehreren Dekaden vor, sodass nicht gewährleistet ist, dass auch tatsächlich alle denkbaren Extremereignisse erfasst sind. Eine robuste Risikoschätzung insbesondere für seltene Ereignisse (z.B. Ereignisse, die statistisch gesehen nur alle 200 Jahre auftreten) erfordert aber eine hinreichend große Anzahl aufgetretener Extremniederschläge. Um hierfür verlässliche Aussagen treffen zu können, sind große Stichproben, beispielsweise aus Simulationen über mehrere Tausend Jahre, notwendig. Die Verwendung numerischer Wettermodelle ist auf Grund deren hoher Rechenzeit nicht möglich.

Im Rahmen des Projekt „FLORIS“ wurde daher eine neue Methode zur stochastischen Simulation einer großen Anzahl hochaufgelöster (1 x 1 km²) Niederschlagsereignisse konzipiert. Das dabei entwickelte Stochastische Niederschlagsmodell  SPM (Ehmele, 2018; Ehmele und Kunz, 2018) verwendet einen linearen Ansatz zur Beschreibung der Niederschlagsbildung und -verstärkung über Gebirgen, der durch weitere Terme, die die Niederschlagsbildung durch andere physikalische Prozesse beschreiben, ergänzt wird. Die Lösung über eine Fourier-Transformation ermöglicht die Simulation vieler Ereignisse in kürzester Zeit.

Die statistische Grundlage des SPM in Form von Wahrscheinlichkeitsverteilungen wurde aus Vertikalprofilen (Radiosonden) und Niederschlagsmessungen (Bodenstationen) der 200 stärksten historischen Ereignisse separat für die drei Bundesländer erstellt. Dabei zeigte sich, dass zwischen den Jahreszeiten teils deutliche Unterschiede in den statistischen Verteilungen festzustellen sind. Eine Persistenzanalyse ergab eine leichte Tendenz zu längeren Ereignissen im Winter gegenüber den anderen Jahreszeiten.

Trotz der einfachen Parametrisierung der relevanten Niederschlagsprozesse sind die Simulationsergebnisse sowohl hinsichtlich der Niederschlagsmengen als auch der räumlichen Verteilungen sehr realistisch (Abb. 1). Die Unterschiede zu den Beobachtungen liegen größtenteils im Bereich von wenigen Prozent, wobei auch die Messdaten insbesondere in gebirgigen Regionen mit Unsicherheiten behaftet sind. Gebietsniederschlägen für ganz Baden-Württemberg oder für ausgewählte Flusseinzugsgebiete ergeben eine noch bessere Übereinstimmung zwischen Modell und Beobachtungen. Auch wenn die Differenzen für größere Wiederkehrperioden zunehmen, liegen sie noch immer innerhalb eines gesetzten Vertrauensbereichs (Abb. 2).

Die in sich geschlossene Methode des SPM ermöglicht eine einfache Übertragung auf andere Untersuchungsgebiete. Durch geschickte Wahl der Eingangsdaten (z. B. Globalmodelle) können auch Simulation in Gebieten mit geringer oder fehlender Messstationen durchgeführt werden.

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Abbildung 1: Vergleich der stärksten 200 Niederschlagsereignisse aus Beobachtungen (links, Quelle: REGNIE, DWD) und aus den 10.000 stochastisch simulierten Ereignissen (rechts, SPM). Abgebildet ist das Niederschlagsfeld des 90%-Perzentils des jeweiligen Datensatzes (Ehmele und Kunz, 2018).

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Abbildung 2: Vergleich von Gebietsniederschlägen bestimmter Wiederkehrperioden aus Modell (rot) und Beobachtungen (blau) für die Fläche Baden-Württembergs (links) und für das Einzugsgebiet des Neckars (rechts). Die schwarzen Linien kennzeichnen die statistische Verteilung und den Vertrauensbereich.

 

Hydrologie & Hydraulik

Im zweiten Schritt wurden am IWG die stochastischen Niederschlagsereignisse in stochastische Hochwasserszenarios überführt, indem mithilfe der entsprechenden Hochwassergefahrenkarten (HWGK) die potentiellen Abflussmengen und Wiederkehrperioden pro Flusseinzugsgebiet berechnet und anschließend miteinander kombiniert wurden. Damit ist es möglich, ein gebietsübergreifendes stochastisches Modell zu betreiben, während die gewöhnlich verwendeten probabilistischen Methoden nie gleichzeitig für alle Einzugsgebiete anwendbar sind. Die Analyse historischer Ereignisse hat gezeigt, dass sich die Wiederkehrperioden der Abflüsse in den Teileinzugsgebieten deutlich von denen im übergeordneten Gesamteinzugsgebiet unterscheiden. Ein 100-jährliches Ereignis kann beispielsweise in einzelnen Teilgebieten ein 500-jährliches im gesamten Einzugsgebiet überschreiten. Nicht zuletzt deswegen ist ein ereignisbasierter Ansatz der einzige Weg, derartige Hochwasserereignisse und deren Schadenwirkung über viele Jahre hinweg realistisch zu untersuchen.

Risikoabschätzung

Schließlich wurde eine umfassende Analyse der Exposition und Vulnerabilität des zu Grunde liegenden Portfolios an Gebäudedaten durchgeführt. Zur Anwendung kamen eine Vielzahl an innovativen Methoden zur Schließung von Datenlücken inklusive verschiedener Open Street Map--Methoden sowie eine umfangreiche Sammlung an Informationen, die für die Vulnerabilitäts- und Schadenanalysen notwendig sind. Dazu gehören unter anderem die Art und Nutzung der Gebäude, die Anzahl der Stockwerke bzw. die Höhe sowie zahlreiche bereits vorhandene wasserbauliche Maßnahmen zur Minderung des Hochwasserrisikos (z. B. Rückhaltebecken).

Um für die verschiedenen stochastischen Ereignisse die damit verbundenen Wasserstände und die Schadenverhältnisse miteinander zu verknüpfen, wurden historische Ereignisse weltweit untersucht und dabei über 200 mögliche Schadenfunktionen getestet. Zusätzlich wurde das unterschiedliche Verhalten von Flusshochwassern und Sturzfluten analysiert, die sich vor allem in Ereignisdauer, Fließverhalten und Anteil des Geschiebes erheblich voneinander unterscheiden. Auf diese Weise wurde der potentielle Schaden und die dazugehörige Jährlichkeit für jedes Ereignis ermittelt, um daraus PML-Kurven (engl. probable maximum loss – maximal möglicher Schaden) und Schadentabellen zu erstellen.

 

Weiterführende Informationen:

Daniell J.E., Kron A., Brand J., Muehr B., Vecere A., Piper D., Kunz M., Ehmele F., Mohr S. (in prep): Exceptional sequence of severe thunderstorms and related flash floods in May and June 2016 in Germany – Part 2: Hydrology and Damage Assessment. Nat. Hazards Earth Syst. Sci.

Ehmele, F. (2018): Stochastische Simulation großflächiger, hochwasserrelevanter Niederschlagsereignisse. Dissertation. Wissenschaftliche Berichte des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie, Band 76, KIT Scientific Publishing, Karlsruhe, Deutschland. doi:10.5445/KSP/1000080495.

Ehmele, F. und M. Kunz (2018): Flood-Related Extreme Precipitation in Southwestern Germany: Development of a Two-Dimensional Stochastic Precipitation Model. Hydrol. Earth. Syst. Sci. Discuss., doi:10.5194/hess-2018-147, in review.

Kunz, M. (2011): Characteristics of Large-scale Orographic Precipitation in a Linear Perspective. J. Hydrometeor., 12, 27-44. doi:10.1175/2010JHM1231.1.

Kunz, M., S. Mohr und P. Werner (2017): Kapitel 7 Niederschlag. In: Klimawandel in Deutschland: Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven. (Hsg.: G. Brasseur, D. Jacob und S. Such-Zöller), Springer Spektrum, 57–66. doi:10.1007/978-3-662-50397-3_7.

Smith, R. B. und I. Barstad (2004): A Linear Theory of Orographic Precipitation. J. Atmos. Sci., 61, 1377–1391, doi:10.1175/1520-0469(2004)061<1377:ALTOOP>2.0.CO;2.

Schröter, K., M. Kunz, F. Elmer, B. Mühr, und B. Merz (2015): What made the June 2013 flood in Germany an exceptional event? A hydro-meteorological evaluation. Hydrol. Earth. Syst. Sci., 19, 309–327. doi:10.5194/hess-19-309-2015.